Was ich über mich und meine Arbeit verraten kann

Ich wurde vor jetzt einigen Jahren in Paris geboren und dort verbrachte ich meine Kindheit... Aber ehe ich anfange über meine Arbeit zu berichten, werde ich ihnen einige Sachen über meine Mutter erzählen, Sie werden sehen, dass es doch mit dem Thema zu tun hat.

portrait2Meine Mutter wurde in Abilly geboren. Abilly ist ein typisches kleines französisches Dorf südlich vom Loiretal, an dem Flüsschen Claise. Dieses Dorf ist wenig bekannt, liegt aber nah an einem etwas größeren und bekannteren Ort (besonders bekannt bei Archäologen), der „Grand Pressigny“ heißt. Meine Großeltern hatten in Abilly ein Haus und wir haben dort ab und zu unsere Ferien verbracht. Als ich sechs Jahre alt war und irgendwann das schlechte Wetter uns nicht erlaubte, spazieren zu gehen, haben uns unsere Eltern nach Grand Pressigny gebracht, um das Schloss und das Steinzeitmuseum zu besichtigen... Folgenschwere Entscheidung! Als ich dort die gleichen Steine, Werkzeuge und Versteinerungen sah, die ich an den Wege- und Ackerrändern fand, habe ich angefangen solche Steine zu sammeln.

Ich habe schnell viele Steine nach Hause geschleppt und im Hof meines Großvaters meine erste Steinzeitausstellung organisiert. Es wurde meine erste Erfahrung im Bereich der Pädagogik und der experimentellen Archäologie. Als ich nicht genügend Exponate hatte, habe ich ein wenig nachgeholfen, indem ich aus Marmorplatten vom Friedhofsmüll sehr passable Spitzen geschlagen habe. Dabei habe ich zwei Sachen gelernt:

 -       Es ist möglich mit der Museumspädagogik einen Gewinn zu erwirtschaften. Die Nachbarkinder mussten einen Bonbon „bezahlen“, um meine Ausstellung zu besuchen

-       Diese Steinzeitmenschen waren etwas dumm, diese harten Feuersteine zu bearbeiten, wenn Marmorplatten vom Friedhofsmüll viel leichter zu bearbeiten sind.

 Dies wurde mein erster Schritte im Bereich der Vorgeschichte... Abgesehen von einigen „Referaten“ vor gelangweilten Mitschülern ist es lange dabei geblieben.

In der Universität habe ich Geologie bis zur Promotion studiert, dann bin ich nach Deutschland gekommen und habe in Bremerhaven im Institut für Meeresforschung über Schwermetalle und Sedimente in der Wesermündung gearbeitet.

Dann habe ich neben meinen steinzeitlichen Aktionen, Kartierungsarbeiten mit Hilfe von Luftbildern für Naturschutzbehörden angefertigt. Ich wohne unweit von Bremen in einem kleinen Dorf, wo ich genügend Platz habe für mein Umfangsreiche Materialsammlung; Steinzeitmenschen brauchen viel Platz und ein großes Auto...

Seitdem hat sich viel geändert; ich habe vor einigen Jahren angefangen, mit der Pädagogik über die Steinzeit weiterzumachen. Ich tat es für befreundete Lehrer und als mein Sohn in die 1. Klasse kam.

Jetzt biete ich Aktionen und Animationen für Schulen und Museen an.

Ich versuche in meiner Arbeit alle Aspekte des Lebens unserer Vorfahren darzustellen, wie z.B. die Bearbeitung vom Feuerstein (Ja icportrait1h habe inzwischen aufgehört Speerspitzen aus Marmorplatten vom Friedhofsmüll zu machen...), die Jagdtechniken wie Speerschleuder und Bogenschiessen, die Feuer- und Kochtechniken, die Fragen der Beleuchtung, der Kunst und der Musik.

Ich versuche glaubwürdig darzustellen, was wir aus der wissenschaftlichen Arbeit kennen, versuche aber auch zu zeigen, was mit der Zeit verschwunden ist. Viele Materialien haben die Zeit nicht überlebt. Viele Objekte, die inzwischen verschwunden sind, sind aber Teile des Puzzles, was wir  aufbauen wollen. Dies ist besonders deutlich im Bereich der Küche (Wer kennt ein steinzeitliches Kochbuch?) oder der Musik. Wenn die Höhlenmalereien uns einigermaßen gut bekannt ist, bleiben uns andere Formen der Kunst wie das Schminken oder die Musik unbekannt.

Wenn wir nicht in der Lage sind zu sehen, was vor 20 000Jahren geschah, , können wir sehen was es in 20 000 km Entfernung  (oder viel näher) noch gibt und feststellen, ob das,was wir dort sehen, mit den Technologien und Materialien, die wir aus den archäologischen Ausgrabungen kennen kompatibel ist.

Wenn ich diese Techniken, Materialien und Instrumente zeige, sage ich nicht „Dies haben Steinzeitmenschen gehabt“ sondern „Wenn Steinzeitmenschen dies gehabt hätten, würden wir es nicht wissen, weil die Materialien diese Zeit nicht überlebt haben“.

Es geht darum, mehr zu zeigen, als das,was wir eindeutig aus Ausgrabungen kennen.

Es geht darum das Unsichtbare sichtbar zu machen.

Wenn wir die Musik der Steinzeit auf die wenigen Instrumenten aus Knochen und Keramik, die bis uns erhalten sind, hätten wir eine grob verfälschte Idee der Musik dieser Zeit. Die Studie der arktischen Völker zeigt uns, dass deren Musik viel vielfältiger ist, als die, die wir aus der Archäologie kennen. Es sind dort Trommeln aus Holz und Haut, Pfeifen und Hörner aus Birkenborken, Lithophon ... zu finden und falls Steinzeitmenschen sie gehabt hätten, würden wir es nicht wissen.

Wie zeigt man das Unsichtbare?

 Dies ist eine schwierige aber spannende Frage der Museumspädagogik, und ich versuche immer wieder diese Frage in meiner Arbeit nachzugehen, ob ich über die Musik oder den Glauben, oder Grabrituale arbeite.

Ein wichtiges Motto meiner Arbeit lautet: „So wenig Kompromisse wie möglich und soviel wie nötig!“

Die Rolle eines Pädagogen besteht darin Wissen zu vermitteln...

Wir wissen alle, dass Steinzeitmenschen kleiner waren als heutige Menschen. Sie waren mit Lendenschürzen bekleidet, haben Mammute in Fallgruben getrieben und wohnten in Höhlen. Dort haben sie Feuer gemacht, indem sie zwei Feuersteine aneinander geschlagen haben, um Funken zu erzeugen... 

Wie wollen wir das wissen?

Na klar, in der Schule und in zahlreichen Büchern haben wir es gelernt und gelesen...

Na? Und wie ist es mit einem kritischen Blick auf das, was man lesen kann???

Mammute lebten in Eiszeiten, Klimaanalysen beweisen, dass im Winter die Temperaturen nachts regelmäßig unter minus 40 Grad fielen und mportrait3it minus 20 Grad die Tage noch als „angenehm frisch“ zu bezeichnen wären...

Und Sie wurden sich nach draußen wagen mit einem Lendenschurz als einziges Kleidungsstück? Sehen Sie was die Inuits tragen; gehen sie nicht mit Parkas, Felljacken und Stiefeln bekleidet? Die Menschen der Steinzeit hatten ähnliche Kleider!

Und wie ist es mit der Fallgrube, ganz schön praktisch so eine Grube, um solche Riese gefahrlos zu fangen!

Na ja, haben Sie schon Ihren Garten im Winter, wenn es knackig friert, umgegraben? Wie sollten die Menschen ohne Bagger und Dynamit Löcher in den gefrorenen Boden gegraben haben?

Im Sommer natürlich!

Hmm... Der Boden taut zwar auf aber es sind nicht die sommerlichen 15 bis 20 Grad, die den Boden vollständig auftauen können. Nach ca. 80 cm ist Schluss mit lustig! Wir haben, was die Geologe „Permafrost“ nennen, permanent gefrorenen Boden. Nein die Fallgruben hat man lediglich in schlechten Büchern gefunden...

Sie haben aber doch in Höhlen gelebt!

Auch da ist Zweifel angebracht. Wo gibt es in der Norddeutschen Ebene Höhlen? Es gibt keine! Noch dazu waren diese Leute Nomaden, und eine Höhle mitzunehmen geht wohl nicht! Es sind zwar einige Beispiele bekannt, wo man Spuren von Menschenbesiedlungen in Höhlen gefunden hat, die meisten Menschen lebten aber in Zelten, ähnlich den Tipis der Indianer Nordamerikas oder den Kotas der arktischen Völker -so wie es für Nomaden üblich ist...

Und das Feuer mit Feuersteinen? Ist es auch Unfug?portait4

Zwei Feuersteine haben nie Funken gemacht! Lediglich einige kurzlebige Leuchtpunkte, die die ganze Energie in Form von Licht abgeben. Der Physiker nennt das „Triboluminescenz“ Damit lässt sich nie mals ein Feuer entfachen!

Noch eine Legende, die hier verschwindet!

Es geht darum Klischees auszurotten!

 Ein Kollege Herr Henning Schüler schrieb einmal:

 „Echte (!) Arbeitsanleitungen aus Schulbüchern entlarven die völlig unreflektierte Autorenschaft von Lehrmitteln: Wenn zwei Feuersteine aneinander geschlagen werden, entsteht irgendwann Feuer? Wer als Lehrer solches "Schreibtischwissen" weitervermittelt, macht sich unglaubwürdig. Eine verstärkte Aufgabe der Experimentellen Archäologen ist die Ausbildung von Lehrern“

 Es geht wohl um Glaubwürdigkeit. Und auch um Lust am Lernen, Die Franzosen sagen „Nie kannst du ein Esel, der keine Durst verspürt, zwingen zu trinken“  Wir müssen die Kinder (und Erwachsenen!) mit  denen wir arbeiten, durstig machen, durstig nach Wissen und dies geht größtenteils durch die Kunst das Wissen mit Spaß “einzupacken“. Hier zitiere ich erneut Herrn Schüler:

„Wer sich auf den Weg in die Steinzeit macht, begegnet sich selbst in der (Vor)Geschichte. Kinder im Grundschulalter interessieren sich sehr dafür und sind daher leicht auf diesen Weg zu bringen. Aber die Begegnung will gut vorbereitet sein, denn leichter noch wird sie didaktisch verspielt: Im Jonglieren mit Kopf, Herz und Hand und allen Sinnen verliert sich die Sache in einer Beschäftigung, die allein darauf angelegt ist, dass Kinder Spaß haben. Es gibt auch einen Weg der Arbeit. Er ist für Lehrer und Kinder anstrengender - aber er führt weiter... Denn die oft praktizierte Arbeit mit Kindern zielt häufig allein darauf ab, dass die Kinder ihren Spaß haben. Die Kinder vielmehr in echte Forschungsarbeit einzubeziehen, ist zwar anstrengender, aber lohnender.portrait5

Ja, es lohnt sich, sich auf die Reise zu machen, auf die Reise zu unseren Vorfahren, zu dem „Anderen“, das eigentlich nichts anderes ist als ein Spiegel, der uns unser eigenes Bild zurückwirft. Wir sollen den Primitiven, der in uns lebt, wach rufen. Wer nicht weiß, woher er kommt, wird nie wissen, wohin er geht. Ein Baum, der keine Wurzeln hat, wird nie Früchte tragen...

 

Es ist eine Begegnung mit dem Menschen mit allen seinen Facetten, hier können wir uns und auch andere Menschengesellschaften treffen mit deren Traditionen, Essgewohnheiten, Ritualen...

Dies ist politische Arbeit.

Wir wollen diesen Weg mit Ihnen gehen, und es darf auch Spaß machen!